Meine zehnte re:publica ’23 – (k)ein bisschen alt geworden

2013 war ich zum ersten Mal bei der re:publica. Jetzt war ich mal wieder in Berlin, ein Jahrzehnt später, diesmal um selbst über die Finanzierung der Bonn.social-Mastodon-Instanz mittels Beabee zu sprechen. Was hat sich geändert? Was ist gleich? Und wie war’s?

Damals war ich noch Community Manager der Max Weber Stiftung. Es gab Aufbruchstimmung, Social Media in der Wissenschaft, neue digitale Kommunikationsformen, die Netz-Community, alles kam bei der re:publica zusammen, was einen Blog und einen Twitter-Account hatte. 2013 und in den folgenden Jahren kam ich immer mit einem Bündel von Ideen nach Hause, die ich dann in den folgenden 12 Monaten umsetzte. Egal ob mein Crowdfunding für die Nachkriegskinder, die Idee von dezentralen sozialen Netzwerken oder der IronBlogger-Idee, bei der Johannes und ich uns persönlich kennenlernten, Barcamp Bonn, Bonn.digital, ihr wisst schon. Das mit den guten Ideen und netten Menschen bei der re:publica ist im Grunde bis heute auch so. 

Aber es deuteten sich auch die Schatten am Horizont an. Die Snowden-Leaks, die heimlichen Datensammlungen von allem, was wir bereitwillig im Netz teilten, die wachsende Bedeutung des Themas Datenschutz und die endlos langsame Digitalisierung Deutschlands, egal ob es um Verwaltung, Glasfaser oder Bildung geht. 2023 sind wir beim Thema Cash Cash Cash angekommen. Die re:publica hatte sich als „Klassentreffen der Netz-Community“ immer freundlich abgehoben von Perfomance-Marketing-Events wie der dmexco, die mich deswegen nie wirklich angesprochen haben. Community war mir wichtiger als Kommerz.

Aber Kommerz ist nicht unwichtig. Geschäftsmodelle entscheiden darüber, welche Ideen überleben. Oder zumindest muss es ein Modell zur Erhaltung von Ideen geben. Geld hilft da oft. Selbst die Wikipedia, ein riesiges Community-Projekt, nimmt gerne Geld an, weil es irgendwann eben kein Hobby mehr ist, sondern Arbeit wird. So ähnlich geht es mir mit den lokalen digitalen Portalen, die wir immer als Nebenprodukt von Bonn.digital für die lokale Community gesehen haben. Es macht einen Unterschied, ob man zum Spaß und für sich selbst einen kleinen Mastodon-Server einrichtet und 100 Leute dazu einlädt, oder ob man 1000 und mehr Accounts verantwortet, moderiert, dafür sorgt, dass die Updates reibungslos und die Backups funktional sind und in Zukunft noch weitere Angebote entstehen können. Insofern habe ich den Wunsch, die steigenden Anforderungen, die ich mir auch selbst mit einem gewissen Idealismus stelle, mit finanziellen Mitteln tragfähig zu machen, damit es weiter wachsen und gedeihen kann. Gerne organisch: ich brauche keinen Hype-Cycle und das Auf und Ab. Ich freue mich über eine langsam wachsende und resiliente Community, die ihre eigenen Portale finanziert. 

Als die erste Welle von Menschen 2022 nach einer Twitter-Welle eine Alternative suchten, war mir klar, das ich diese Welle nutzen möchte. Die Unterstützungsbereitschaft war in dieser Phase besonders hoch. Ich suchte nach einer Möglichkeit Menschen eine einfache und unkomplizierte Möglichkeit zu geben uns regelmäßig kleinere Geldbeträge zukommen zu lassen. Diese sollte aber weitestgehend die gleichen Ansprüche an Unabhängigkeit von Dritten, Anpassbarkeit und Integration bieten, wie ich es von Mastodon, dem Fediverse oder vielen anderen Open-Source-Projekten gewohnt war. Das Selbst-Hosten ist zwar mit hohen Einstiegskosten verbunden, aber auf lange Sicht ist man frei und kann die Abonnenten mitziehen, wenn die Plattform nicht mehr taugt. 

Foto: Gunnar Sohn, ichsagmal.com

Wir suchten lange, kein Tool erfüllt die Anforderungen, die ich hatte. Bis wir Beabee.io gefunden haben. Beabee ist aus einem Mitgliedschafts-Projekt eines Makerspaces in South London entstanden, wurde dann für die Bristol Cable, einem Community-Journalismus-Projekt aus – Bristol – weiterentwickelt. Nun gibt es finanzielle Unterstützung von Correctiv und anderen Förder-Organisationen zur Weiterentwicklung, so dass die Software „reif“ für den Einsatz ist. Wir nutzen Beabee unter https://abo.bonn.digital/join um dort eine einfache Möglichkeit per SEPA oder Kreditkarte uns regelmäßig automatisch zu unterstützen. Alternativ haben wir die Landingpage https://bonn.digital/unterstuetzen eingerichtet, wo es andere Wege gibt, unsere Aktivitäten für lokale Plattformen zu unterstützen. 

So kam in den letzten 12 Monaten eine – finde ich – doch sehr beachtliche Summe von fast 3000€ zusammen, die wir aus regelmäßigen Zuwendungen, einmaligen Zahlungen und mehreren Sponsoren erhalten haben. Bei der re:publica 2023 habe ich mit Tobias Hauswurz von Correctiv Beabee vorgestellt und diskutiert, wann es das richtige Tool ist. Die Folien findet ihr hier:  https://docs.bonn.digital/p/RPsznMwat#/. Es war eine kleine, aber sehr feine Runde, von Menschen die das Thema umtreibt und die auch schon aktiv im Fediverse sind oder ihre ersten Schritte planen. Die Diskussion kannte die gesamte Bandbreite von „nettes AWO-Projekt“ bis hin zu „das ist die Zukunft, wenn die DSGVO mal durchgesetzt wird.“

Für mich ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Fediverse, dass wir eine nachhaltige Finanzierung aufbauen, die nach dem Prinzip „Eat your own dogfood“ organisiert ist. Wie können wir einerseits sagen, dass wir unsere sozialen Netzwerke datenschutzfreundlich und unabhängig auf europäischen Servern hosten wollen und andererseits dann doch amerikanische Abo-Dienste wie Patreon nutzen? Ich bin gespannt, welche Lösungen sich da in den nächsten Jahren noch zeigen werden. Bitcoin wird es meiner Meinung nach nicht sein, die „Umweltsau“ unter den Finanzprodukten. Vielversprechend finde ich das GNU-Taler Projekt, dass mir von der Innovationsabteilung einer netten Bank vor Ort noch mal detailliert vorgeführt wurde, mit den Worten: „Willst Du ein neues rabbit hole?“ Ja, genau dafür fahre ich zu re:publica, um mein nächstes „rabbit hole“ zu finden und vielleicht die (lokale) Welt wieder etwas besser zu machen.

Und so bin ich einerseits ein bisschen traurig, dass die digitale Netz-Community sich daran gewähnt hat, in amerikanischen Clouds zu sein, denn es wurde fleißig weiter getwittert, mehr als 3/4 der Postings war auf Twitter, nur 1/4 auf Mastodon. Die Anzahl der Vorträge zum Thema Fediverse und Twitter-Exit war sehr überschaubar, z.B. Luca Hammer mit seinem Talk „Twitter ist tot“: https://lucahammer.com/talks/rp23/#/unternehmen-ist-tot Und andererseits ist es toll in so einem „melting pot“ der Ideen einzutauchen, tolle entspannte lange Gespräche zu führen, mit Menschen, die man sonst meistens nur im Netz sieht und schätzt. Da erzählt man eben persönlich was vom Pferd(divers). Ein bisschen erschlagen war ich auch von der Größe und der Menge der Menschen. Ich kenne das selbst als Veranstalter, dass man dazu neigt, es noch größer, schöner und toller machen zu wollen. Aber manchmal ist es auch ein „zurück zu den Wurzeln“ eines Events, dass es gut für alle macht und nicht das Streben nach Wachstum und mehr Umsatz. Aber vielleicht liegt das auch an drei Jahren Digital-Events und HomeOffice, das ich da was empfindsamer als sonst war. Denn wo sonst, hat man die Möglichkeit selbst aus der kleinsten Nische noch die 15 interessanten Personen persönlich zu treffen? Insofern freue ich mich auf die Rückkehr in die Station, und bin eher nicht so interessiert am zweiten Festival in Hamburg. Aber vielleicht gibt es ja irgendwann mal einen re:publica-Ableger in Bonn? Schön wäre es.  

10 Jahre re:publica: ich hoffe, wir bleiben jung und verrückt. Herzlichen Danke an alle, die die re:publica zu dem machen, was sie ist. Wie war eure re:publica-Erfahrung? Was habt ihr mitgenommen an Ideen?

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