Glücksgefühle & Motivationskiller – Die Psychologie hinter guten Events

Bei manchen Veranstaltungen frage ich mich: Warum tun wir uns das eigentlich an? Menschen reisen an, nehmen sich Zeit – nur um dann stundenlang dazusitzen und einer Keynote nach der anderen zuzuhören und nebenher auf dem Handy zu daddeln… Spätestens nach der Mittagspause wird’s dann leer im Saal. Solche Events habe ich oft gesehen – und irgendwann beschlossen: Ich mache keine Events mehr, bei denen man „durchhalten“ muss.

Denn es geht besser. Nicht mit mehr Technik oder Showeffekten, sondern mit einem Verständnis dafür, was Menschen auf Veranstaltungen wirklich brauchen. Die Psychologie guter Events beginnt bei den Bedürfnissen der Teilnehmenden.

Was Psychologie mit guten Events zu tun hat

Die Selbstbestimmungstheorie von Edward L. Deci und Richard M. Ryan sagt: Menschen sind dann besonders motiviert, zufrieden und aktiv, wenn drei psychologische Grundbedürfnisse erfüllt sind:

  • Autonomie: Ich kann selbst mitentscheiden.
  • Kompetenz: Ich habe das Gefühl, etwas zu können oder zu lernen.
  • Zugehörigkeit: Ich fühle mich mit anderen verbunden.

Und genau daran hakt es oft bei klassischen Veranstaltungsformaten – obwohl alle immer von „interaktiv“ sprechen.

Bedürfnisse bei der Eventplanung berücksichtigen

Autonomie – niemand will alles vorgegeben bekommen

Teilnehmende spüren, ob sie Gestaltungsfreiheit haben oder durch ein fertiges Programm geschleust werden. Und: Autonomie bedeutet nicht Chaos (wovor viele Eventmanager*innen oder vielmehr ihre Auftraggebenden Angst haben), sondern die Möglichkeit, mitzugestalten.

Was gut funktioniert:
In einem Fortbildungs-Workshop habe ich z. B. nach dem Inputteil gefragt: „Was davon wollt ihr vertiefen – Methode A oder B?“ Oder: „Wollt ihr die Aufgabe lieber im Plenum oder in Kleingruppen bearbeiten?“ Die Teilnehmenden fühlten sich mehr einbezogen; ihre Wünsche und Interessen wurden berücksichtigt. Selbst kleine Dinge wie Wahlmöglichkeiten bei Gruppenarbeiten oder Auswahl beim Mittagessen stärken das Gefühl: Ich darf hier mitentscheiden und bekomme nicht alles vorgegeben.
Das beste Beispiel sind Barcamps: Da gestalten die Teilnehmenden das Programm selbst und wählen aus, welche Sessions sie besuchen möchten. Die Energie bei der Sessionplanung ist mit keiner Keynote vergleichbar – einfach, weil alle merken: Hier geht es auch um mich und ich kann mir die Themen auswählen, die mich interessieren. Zudem habe ich die Freiheit, eine Session zu verlassen, wenn ich merke, dass sie mich nicht interessiert, oder auch mal eine Session zu „schwänzen“ und stattdessen lieber mein Gespräch aus der Pause fortzusetzen.

Sessionplan beim BarCamp – maximale Autonomie
Ein psychologischer Faktor für gute Events: Maximale Autonomie – freie Session-Wahl beim Barcamp.

Kompetenz – niemand will sich wie ein*e Anfänger*in fühlen

Ein klassischer Fehler vieler Events: Die „allwissenden“ Speaker vermitteln Inhalte – aber kein Selbstwirksamkeitsgefühl. Dabei entsteht Motivation oft nicht durchs Zuhören, sondern durchs Anwenden.

Was hilft:
Ich baue gern Formate ein, bei denen die Teilnehmenden ihr eigenes Wissen einbringen können – etwa kurze Peer-Austausch-Phasen: „Erzählt euch zu zweit, wie ihr Problem xy in eurem Arbeitsalltag schon mal gelöst habt.“ Plötzlich merkt jede*r: Ich kann was – und ich lerne was. Oder: Nach einem kurzen Impuls arbeiten Kleingruppen direkt an einem Fallbeispiel. Keine lange Anleitung, sondern einfach machen. Das Gefühl, Wissen direkt angewendet zu haben, bleibt stärker haften als jede PowerPoint.
Und auch hier sind Barcamps wieder das Parade-Beispiel: Wenn ich eine Session anbiete, kann ich mich mit meinem Thema als Expert*in positionieren. Auch Erfahrungsrunden („Wer hat schon mal…?“) bringen unentdecktes Wissen der Gruppe hervor und alle lernen voneinander. (Du brauchst Tipps für deinen Sessionpitch? Guck mal in unseren Blogbeitrag!)

Kompetenz erleben: Eine eigene Session anbieten oder bei Diskussionsrunden etwas beitragen.

Zugehörigkeit – niemand will sich wie der oder die Neue fühlen

Wie wohl fühlt ihr euch auf Events, wo ihr niemanden kennt? Gerade bei größeren Veranstaltungen ist das Gefühl von Anonymität schnell da – und dann verbringt man die Kaffeepausen eher am Handy, als sich irgendwo dazuzugesellen. Das ist nicht nur ein Problem der Pausen, sondern auch des Programms dazwischen: Wenn man sich nicht gesehen oder gemeint fühlt, steigt die Schwelle zur aktiven Teilnahme. Dann bleiben Fragen offen, Gedanken unausgesprochen – und Menschen verschwinden nach der Mittagspause.

Was wirkt:
Oft bei unseren Events erprobt: Namensschilder/Badges mit Zusatzinformationen, die animieren: „Frag mich was zu diesen Themen.“ Das bricht schnell das Eis, weil man direkt ein Gesprächsthema hat oder Gemeinsamkeiten erkennt. Das gelingt auch mit einer kurzen Vorstellungsrunde, bei der sich jede*r mit drei kurzen Stichworten/Hashtags vorstellt.

Ich plane auch gern gezielt Pausen fürs Netzwerken ein – nicht als leeres „Kaffeetrinken“, sondern mit Frage-Impulsen an den Stehtischen („Was war dein letzter Aha-Moment?“/ „Wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht – und was?“). Oder ich nutze kurze Check-ins in Gruppen: „Was beschäftigt dich heute?“ – das klingt simpel, aber die Atmosphäre verändert sich sofort. Man ist nicht mehr nur Teilnehmende*r, sondern Teil einer Gruppe.

Und gerade für Gruppen, in denen man wenige „Neue“ und viele „alte Hasen“ hat, hat sich das Buddy-Prinzip bewährt: Wer mag, kriegt beim Einlass eine (Zufalls-)Begleitung fürs erste Gespräch.

Vorstellungsrunde beim Barcamp
Zugehörigkeit zur Gruppe: Beim Barcamp stellt sich jede*r kurz mit drei Hashtags vor – das schafft Verbindung.

Es geht nicht um Spielerei, sondern ums Ernstnehmen

Viele denken bei solchen Methoden erst mal: Ist das nicht ein bisschen zu viel? Zu verspielt? Aber mal ehrlich: Wenn die Alternative ist, dass deine Teilnehmenden abschalten: Was hast du zu verlieren? Diese psychologische Perspektive ist eigentlich kein Add-on, sondern Kern erfolgreicher Events. Es geht darum, Teilnehmende nicht nur zu informieren, sondern bei der Planung mitzudenken: Was brauchen meine Gäste, um sich wirklich angesprochen zu fühlen? Und das hat weniger mit Budget zu tun als mit Haltung.

Daher mein Plädoyer: Frag dich bei der nächsten Eventplanung nicht nur: Was will ich den Leuten zeigen? Sondern auch: Was brauchen sie, um sich freiwillig darauf einzulassen und mitzumachen? Ich finde, die Selbstbestimmungstheorie von Decy und Ryan liefert dafür einen verdammt guten Kompass.

Wer noch tiefer in die Theorien rund um Lernen und Motivation einsteigen will: Schau mal hier rein.

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